25 Jahre ETF-Handel: Interview-Serie #5
25 Jahre ETF-Handel: Interview-Serie #5 Thorsten Michalik, CEO Europe, UK und Americas, HSBC Asset Management
Vor 25 Jahren, am 11. April 2000, schrieb die Deutsche Börse Geschichte: Als erste Börse Europas startete sie den Handel mit ETFs. Anlässlich unseres Jubiläums blicken wir auf die Erfahrungen einiger ETF-Pioniere zurück.
Was hat Sie damals motiviert, sich im ETF-Bereich zu engagieren?
Als ich 2006 von Hongkong nach Frankfurt zurückgezogen bin, war meine vorherige Position nicht mehr verfügbar. Daher wurde mir angeboten, ein ETF-Geschäft aufzubauen. Man mag es heute kaum glauben, aber im Jahr 2006 gab es noch nicht allzu viele Informationen über ETFs, und es war anfangs relativ schwierig, einen guten Überblick über die verfügbaren Produkte, Anbieter und das verwaltete Vermögen zu bekommen.
Viel schwieriger war es, ehrlich gesagt, eine Vorstellung vom potenziellen Wachstum dieser Branche zu entwickeln. Ich kann Ihnen sagen, dass wir in unseren kühnsten Annahmen über das mögliche Wachstum der Industrie nicht annähernd das nun bestätigte Wachstum für möglich gehalten haben.
Welche Herausforderungen waren bei der Etablierung der Marke Xtrackers zu bewältigen?
Es gab bereits ein bestehendes „physisches ETF-Geschäft“, das wir nach einem Jahr schlossen, um ein „synthetisches ETF-Geschäft“ aufzubauen. Dieses Vorgehen wurde damals mit viel Skepsis diskutiert, ebenso wie das passive Investieren im Allgemeinen, da es noch nicht im Mainstream verankert war. Insgesamt war man zwar erfreut, dass man frühzeitig den Trend zum passiven Investieren erkannt hatte, aber man war sich auch bewusst, dass es einige Geschäftsbereiche geben würde, die dem Thema eher negativ gegenüberstanden, insbesondere in Bezug auf Ausgabeaufschläge und Verwaltungsgebühren.
Wie haben ETFs die Finanzlandschaft in Europa verändert?
ETFs sind zur bevorzugten Wahl für Multi-Asset-Anleger und Vermögensverwalter geworden. Heutzutage gibt es wohl kaum einen Vermögensverwalter mehr, der keine ETFs einsetzt. Auch große Kapitalsammelstellen widmen sich nun dem Thema ETFs, da die Produkte extrem groß geworden sind und sich damit hinsichtlich verschiedener Anlagerichtlinien qualifizieren. Kostenlose Ausführungsgebühren und Sparpläne haben zudem dazu geführt, dass gerade Kleinanleger über Neobroker sich dem Thema ETFs widmen. Man kann davon ausgehen, dass es in den nächsten Monaten über 10 Millionen ETF-Sparpläne in Deutschland geben wird.
Welche Entwicklungen haben Sie in den letzten 25 Jahren am meisten überrascht?
Die stetig steigende Anzahl verfügbarer ETFs. Als ich 2006 im ETF-Geschäft anfing, gab es weniger als 100 ETFs in Europa, und ich hätte mir niemals vorstellen können, dass wir mehr als 500 ETFs in Europa sehen würden. Jetzt gibt es bereits über 3000. Auch hätte ich nicht gedacht, dass es jemals ein hybrides Produkt wie aktive ETFs geben würde.
Was war Ihr stolzester Moment in Ihrer Karriere mit ETFs?
Die Einführung kostenloser ETF-Sparpläne in Deutschland, trotz vieler Widerstände. Bald wird es 10 Millionen ETF-Sparpläne in Deutschland geben. Zudem bin ich stolz darauf, dass ich zusammen mit meinem Team in den letzten knapp 20 Jahren viele Talente im Bereich ETFs ausgebildet habe, die nun in der gesamten weltweiten ETF-Industrie verteilt sind und jeden Tag versuchen, das Produkt ETF weiter zu verbessern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die nächsten 25 Jahre in Bezug auf Wachstum und Innovationskraft in der ETF-Branche die letzten 25 Jahre in den Schatten stellen werden.
Welche Herausforderungen muss die ETF-Branche in Zukunft bewältigen?
Zum einen die Vermarktung von Produkten als ETFs, die sich aufgrund ihrer mangelnden Liquidität eher nicht dafür eignen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob wirklich jeder Anbieter ein ETF-Geschäft braucht. Einige Teilnehmer verfügen derzeit noch nicht über die notwendige Infrastruktur, um aufkommenden Stresssituationen begegnen zu können. Man sollte auf keinen Fall unterschätzen, welche Investitionen in IT und Personal notwendig sind, um einen ETF-Anbieter aufzubauen, der in Stresssituationen neben gutem Indextracking auch Service und Qualität im Kundenservice bietet. Wie immer gilt: Bei Sonnenschein kann jeder segeln…
Sollte es wirklich zu einer Harmonisierung der verschiedenen ETF-Märkte in Europa kommen, liegt hier sicherlich auch nochmal eine große Chance für die ETF-Industrie.